Die Sippengeschichte

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Celestiel
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Die Sippengeschichte

Beitrag von Celestiel »

Die Steppen Rohans, Herbst des Jahres 3009 im III. Zeitalter

Tag I
Eine seichte Schicht an Nebel hatte sich über Nacht auf die weiten Ebenen gelegt, wie eine Decke über den regungslosen Körper eines Schlafenden. Denn an dem wolkenverhangenen Himmel gab es keine Sonne, welche die Weiten unter ihr hätte wach küssen können. Trübes Grau waberte um die Grashalme, welche von schweren Stiefelpaaren platt gedrückt wurden, als ein kleiner Trupp sich über die Felder fortbewegte und der eintönigen Stille einen willkommen Unterbruch erbrachte. Unerbittlich und hartnäckig zerrte der Wind an jedem noch so kleinen Haar und Zipfel ihrer Kleidung. Allesamt schwer gerüstet waren sie jedoch und so gab es nur wenig, was dem Ruf des Windes hätte erliegen und folgen können. Auch war es dem Wind nicht vergönnt, irgendeine Kunde mit sich zu tragen, denn über die kleine Schar an Männern war nur wenig bekannt. Einige Soldaten aus Gondor, angeführt von einem etwas älteren Hauptmann, dessen Gesicht von einer Vielzahl an Narben gezeichnet war. Überbleibsel und Zeugnisse längst vergangener Schlachten, die für die hart erkämpfteste Währung erkauft worden waren: Kampf-Erfahrung. Dennoch war es eine spärliche Anzahl an Kämpfenden. Erst durch die wenigen Söldner, die angeheuert worden waren zur Verstärkung, gelangte der kleine Trupp zur Berechtigung, überhaupt Erwähnung zu finden in dem wirren Geschichtengeflecht jener Zeit. Es gab wahrlich bedeutendere Dinge als eine kleine Schar an gerüsteten Mannen, die aus Soldaten Gondors und Söldnern bestand. Letztere hinzugezogen, weil Gondor seine Truppen an den Grenzen zu Mordor, insbesondere an der Front Osgiliaths, nicht ausdünnen wollte. Eine dürftige Begründung, doch war dem wortkargen Hauptmann nicht mehr zu entlocken.

Gnadenlos ging der Regen auf sie nieder, weichte Boden wie Durchhaltewillen der Männer auf, die sich damit abmühten, die zwei, von kräftigen Pferden gezogenen Wagen aus tiefen Löchern zu stemmen und gleichzeitig mit den schweren Stiefeln durch die hinderliche Schlammschicht zu stapfen. Obgleich Ziel der Reise und Zweck des Marsches unbekannt waren, hätte es kaum ein gewöhnlicherer Trupp sein können.
Ein paar Dutzend Mannen auf einem scheinbar gewöhnlichen Marsch durch die Steppen Rohans, der ohne ungewöhnliche Zwischenfälle bleiben sollte. Vorerst...


Tag II
Der junge Krieger stocherte mit einem Ast in dem ärmlichen Feuer herum. Nur noch schwach züngelten die Flammen über das verkohlte Holz, das hineingeworfen worden war, um das Spiel der Flammen aufs Neue zu entfachen. Doch der Regen machte es ihnen schwer, so fand immer wieder ein Schwall Regentropfen seinen Weg durch die Baumkronen, die dicht über dem kleinen Lager thronten, das sie am Rande eines Waldstückes aufgeschlagen hatten. Es schien nicht Lustlosigkeit zu sein, die den Krieger dazu brachte, missmutig im Feuer herumzustochern, denn in dem Krieger brannte das Feuer der Leidenschaft und Entschlossenheit, wie bei so vielen jungen Männern, die glaubten, ihr Glück in ruhmreichen Schlachten suchen zu müssen. Dennoch war das Feuer in ihm einem Wind ausgesetzt, der die Flammen zu ersticken drohte. Der Krieger war Taldaras Arnum, Sprössling einer angesehenen Familie in Gondor, die schon viele ehrenhafte Hauptmänner hervor gebracht hatte. Und ein ebensolcher sollte auch aus ihm werden, doch legte ihm die Informationsarmut über diesen Transport Steine in den Weg. Er war unzufrieden, nicht einmal eine handvoll Informationen im Besitz zu haben.
„Ihr und Eure Leute sind mir zugeteilt worden. Ich gebe die Befehle und Ihr führt sie aus, Soldat.“ Rötliche Funken stoben auf, als er den Ast wuchtig in die kümmerlichen Reste des verbrannten Holzes zu rammen versuchte, so dachte er an die Unterredung mit seinem Vorgesetzen zurück. Wie abzusehen zerbrach der Ast und wurde von Taldaras murrend nach hinten geworfen. Missmutig blickte er auf und liess den Blick über den Teil des Lagers schweifen, wo sich die Söldner niedergelassen hatten. Zwischen ihnen waren die zwei Wagen abgestellt worden. Auf ersterem eine schlichte Waffenladung, doch war es nicht dieser, der die Aufmerksamkeit des Kriegers genoss. Taldaras’ Blick ruhte auf dem zweiten Wagen, der mit einer grauen, mit Schlamm beschmierten Plane abgedeckt war.
„Vielleicht eine Kiste...“, mutmasste Taldaras im Stillen, doch brachte ihn das Starren nicht weiter, sondern warf nur neue Fragen auf, die hämmernd nach einer Antwort verlangten. So kehrte sein Blick zu den Söldnern zurück und blieb an einem Mann hängen, der etwas abseits von den anderen in scheinbar gewollter Einsamkeit am Lagerfeuer sass.
"Siehst du den da?", fragte Taldaras mit einem leichten Kopfnicken in Richtung des Söldners einen seiner Männer, der neben ihm saß. Der Mann, der gerade damit beschäftigt war, genüsslich auf seinem Stück Brot herumzukauen, hob den Blick und blickte in die von Taldaras gedeutete Richtung. Nuschelnd ob der Brotstücke in seinem Mund entgegnete er: "Lasst euch nicht mit diesen Söldnern ein, Herr Hauptmann. Heute sitzen sie mit Euch an einem Feuer und morgen habt Ihr ihr Schwert im Bauch. Keine Ehre, keinen Stolz...die kämpfen für den, der am meisten zahlt.“
Taldaras nickte, doch war stummer Zweifel in seinem Gesicht zu lesen. Eigentlich hätte er sich diese Worte auch selber denken können, denn so gut wie jeder wusste um den schlechten Ruf, der Söldnern vorauseilte. Und ja, in jedem Vorurteil steckte wohl ein Funken Wahrheit, obgleich es die festgefahrenen Meinungen anderer war, auf die man zumeist sein Urteil begründete. Doch Taldaras schien dieses Mal nicht gewillt zu sein, seine Sicht der Ding auf die Worte eines einzigen Soldaten zu beschränken. Nachdenklich ruhte sein Blick noch immer auf dem Söldner, der es sich an der kleinen Feuerstelle unweit von ihnen gemütlich gemacht hatte. Alles an ihn liess vermuten, dass er ein Sohn Rohans war, doch sein pechschwarzes Haar mochte nicht so recht in Taldaras’ Bild von einem Rohirrim passen.
„Haltet hier die Stellung, Soldat“, meinte er knapp nickend zum Krieger neben ihm und nahm den letzten Schluck Wasser aus seinem Becher. Ohne einer Antwort zu harren steuerte er in gewohnt festem Gang die Richtung des Söldnerlagers an, lenkte seine Schritte jedoch auf halbem Wege nah’ an die beiden Wagen heran, in der Hoffnung, einen Blick auf die verborgene Fracht zu erhaschen. Gerade als er sich leicht bücken wollte, um einen Blick unter die Plane werfen zu können, bekam er zwei gekreuzte Speere vor die Nase gesetzt.
„Verzeiht, Herr Hauptmann, doch wir haben klare Befehle niemanden in die Nähe der Lieferung zu lassen!" Den beiden Soldaten, die den Wagen bewachten, wurde ein finsterer Blick zuteil, der von Taldaras’ unterschwelligem Ärger zeugte, doch der Hauptmann liess nur ein knappes Nicken als Reaktion folgen und unterliess es bei jemandem, der auch nur Befehle von ganz oben ausführte, seinen höheren Rang geltend zu machen. So drehte er ihnen den Rücken zu und richtete seine Augenmerk wieder zur Gänze auf den Söldner.
„Guten Abend. Taldaras Arnum, Hauptmann aus dem Lande Gondor..“, begann er sich in distanzierter Höflichkeit vorzustellen, als er den Söldner erreicht hatte, der ihn nun mitten im Satz unterbrach: „Setzt Euch, Herr Hauptmann.“ Sichtbar schwang sich eine Braue in Taldaras’ Gesicht empor ob der unerwarteten Höflichkeit, die er gerade erfuhr. Verärgert darüber, dass er im Begriff war sich von einer solchen Nichtigkeit aus dem Konzept bringen zu lassen, gewann er seine stoische Miene zurück und setzte sich, den Blick auf den Söldner richtend, als dieser ihm einen Wasserschlauch entgegen streckte. Knapp zum Dank nickend nahm er den Schlauch entgegen, im Glauben seiner trockenen Kehle frisches Wasser zuzuführen, doch was er schmeckte war kein Wasser, sondern Wein. Der Söldner lächelte, als er die Verwunderung in dem Gesicht seines Gegenübers bemerkte. "Es scheint fast so, ..." Er nahm einen Zug aus seiner Pfeife und blies den Rauch in die Luft "...als liege der Armee Gondors mehr an ihren Söldnern als an ihren Soldaten. Wir werden wirklich hervorragend verpflegt. Hier nehmt." Er reichte Taldaras ein Stück Käse und einen Apfel, die wortlos entgegen genommen wurden. Bevor der Apfel in Taldaras’ Beutel verschwand hielt der Krieger noch einmal inne und beäugte den Apfel mit verärgertem Blick. Schwerlich liess sich der Anflug von Ärger verbergen, als er sich vor Augen führte, dass seine Mannen und er an hartem Brot herumkauen durften, während die Söldner sich an Früchten und Käse erfreuen konnten. Taldaras blickte auf. „So? Werdet ihr denn auch hervorragend informiert, hm?“ Eine hörbare Schärfe schwang in seiner Stimme mit, von der sich der Söldner jedoch kaum beeindrucken liess. „Wie meint Ihr das?“, fragte er mich hochgezogener Augenbraue. "Nun, hat man Euch etwas über Ziel und Zweck dieser Reise gesagt, oder...", Taldaras stockte kurz und liess den Blick zu den zwei schwer bewachten Wagen in der Mitte des Lagers wandern, schliesslich mit gedämpfter Stimme seine vorangegangenen Worte aufnehmend: "...über den Inhalt der Wagen und für wen die Waffen bestimmt sind?" Er forschte in dem Gesicht seines Gegenüber, konnte aber keine Regung feststellen. Dieser klopfte seine Pfeife an einem Stein aus und verstaute sie in einem leinen Beutel an seinem Gürtel. "Ich bin ein Söldner, Herr Hauptmann, ich wurde dafür bezahlt diese Wagen sicher durch Rohan zu geleiten. Das werde ich tun und mehr muss ich nicht wissen." Er stand auf und wandte sich vom Feuer ab, als er kurz inne hielt und sich noch einmal zu Taldaras umdrehte. "Ich hörte einen der Männer sagen, dass unser Ziel im Nordwesten Rohans liegt, nur..." Er blickte sich um und Taldaras wurde ungeduldig. "Was...nur?“ Der Blick des Söldners kehrte zu Taldaras zurück. "Mein Name ist Dharogar und ich bin in diesen Landen aufgewachsen und wir bewegen uns nicht nach Nordwesten sondern jeden Tag ein Stück mehr in östliche Richtung. Ruht euch aus, Herr Hauptmann, wir haben noch einen harten Marsch vor uns."
Mit diesen Worten kehrte er Taldaras den Rücken zu und liess sich von dem gierigen Schlund der anbrechenden Nacht verschlucken, einen jungen Krieger zurücklassend, der nachdenklich wie leicht beunruhigt zugleich ins Dunkel stierte.


Die folgenden Tage
Das schlechte Wetter und das unwegsame Gelände ließen den Trupp nur langsam vorwärts kommen. Die Abende verbrachten Taldaras und Dharogar damit, sich Geschichten aus ihrer Vergangenheit zu erzählen und mit Wein die Kälte in ihren Gliedern in die Flucht zu schlagen. Der Hauptmann war bedeutend gesprächiger als der Söldner, so geizte jener mit seinen Worten und beschränkte sich aufs Zuhören. Die Stimmung jedoch war niedergedrückt von der wachsenden Unzufriedenheit der Männer. Die Vorräte gingen zur Neige und niemand wusste, wohin dieser Weg sie führen würde. Doch sie führten ihn fort, so war die Mehrheit Soldaten, die darauf getrimmt waren, Befehle auszuführen, mochten diese auch noch so undurchsichtig erscheinen. Und Söldner? Nun, solche wurden nicht dafür bezahlt, alle Einzelheiten zu kennen. Kämpfen gegen Bares, nicht mehr und nicht weniger. So wurde weiter marschiert bis leises Plätschern die Luft erfüllte, das mit jedem Schritt an Lautstärke gewann und zu einem Tosen anwuchs.

Der Anduin – Der wohl mächtigste Fluss Mittelerdes, der seinen Ursprung hoch im Norden der Nebelberge hatte und sich mit unbändiger Kraft durch die Lande schlängelte. Ein friedlicher Ort mochte man meinen, doch sollte sich an diesem idyllischen Platz ein Geschehnis zutragen, das verhängnisvolle Macht auf das Leben zweier Menschen und deren späteren Verbündeten haben sollte.

Es war eine Rast wie jede andere auch. Müde und schwer atmend liessen sich die Soldaten in das Gras fallen, niedergerungen von den Strapazen des Marsches. Weinflasche nach Weinflasche wurde von Hand zu Hand gereicht, um eine fadenscheinige Moral zu heben, die mehr und mehr gebrochen wurde. Schuldig waren nicht nur die körperlichen Belastungen. Das unsichtbare Ziel ihrer Reise war Gift für jedwede Motivation. Und so floss der Wein in Strömen, um die Soldaten von ihrer Niedergeschlagenheit abzulenken und allen Frust in der tiefroten Flüssigkeit zu ertränken.
Taldaras sass abseits von den anderen und beschäftigte sich mit einem ganz anderen Problem: Wochen waren sie nun schon unterwegs und noch war ein Ziel oder ein Ende nicht absehbar. Die Vorräte wurden langsam knapp und um die Moral der Männer war es schlecht bestellt. Abwesend blickte er dabei auf die Soldaten, welche sich für einen vergänglichen Moment Seelenfrieden mit Wein und Schnaps verschafften. Was, wenn schon bald der Vorrat an Alkohol leergetrunken war? Er neigte sogar dazu, in der Verknappung des Weines ein schlimmeres Übel für die Männer zu sehen als schwindende Vorräte bei der Nahrung. Ruckartig stemmte sich der junge Krieger hoch und ging zielstrebig zu Dharogar herüber, den er im Laufe der Reise als guten Weggefährten zu schätzen gelernt hatte.
"Wir müssen mit dem Hauptmann reden. Die Vorräte werden knapp und die Männer sind nicht mehr willens, blind einem unbekannten Ziel entgegen zu marschieren." Die Stimme von Taldaras klang entschlossen und auch seine Mimik schien sich seiner Worte sicher zu sein. Ruhig legte sich der Blick des Söldners auf ihn, abschätzend und prüfend. Dharogar liess seine Antwort schliesslich mit einem stummen Nicken erfolgen und folgte Taldaras zu dem zuständigen Hauptmann, den sie am Ufer vorfanden. Mit zwei seiner Offiziere deutete er wild gestikulierend auf das andere Ufer und schien in eine angeregte Unterhaltung vertieft. Die eindringlichen Stimmen verstummten jedoch sofort, als sie auf Taldaras und Dharogar aufmerksam wurden. Zögernd blieben diese stehen und tauschten einen fragenden Blick miteinander aus. Lief da etwa etwas nicht nach Plan?
"Ja, Soldat?", fragte der Hauptmann gen Taldaras und machte aus seiner Ungeduld keinen Hehl, fast so, als könne er es kaum erwarten, dass Taldaras sein Anliegen vortrug und dann gleich wieder verschwand. Diszipliniert und so wie es sich vor einem Ranghöheren gehörte, setzte Taldaras zu einem zackigen Salutieren an und sprach: "Herr Hauptmann, ich muss ihnen Meldung über die derzeitige Situation meiner Männer machen. Die Rationen an Essen reichen nicht für einen solch harten Marsch. Es wäre hilfreich, wenn ich wüsste wie lange wir noch unterwegs sind und schlage außerdem vor unsere Vorräte in einem Dorf aufzufüllen." Seine Worte nahmen gegen Ende einen unsicheren Klang an, so hatte der Hauptmann seine Augen in der Zwischenzeit weit aufgerissen. Taldaras deutete diese Reaktion schon als Empörung auf Seiten seines Vorgesetzten, doch war es in Wahrheit der Schock von den Klauen des Todes, der soeben nach ihm gegriffen hatte. Denn aus der Brust des Hauptmannes ragte nun gut sichtbar eine Pfeilspitze und ehe sich Taldaras und Dharogar über die alarmierende Situation bewusst werden konnten, sackten die beiden anderen Offiziere leblos auf den Boden, zusammen mit dem Leib des Hauptmannes.
Aus den dichten Gebüschen am Ufer stahlen sich unförmige Schatten, die erbarmungslos und im Schutze der schattigen Dunkelheit den Trupp beschossen. Auch Dharogar trafen zwei Pfeile in die Schulter, doch konnte Taldaras seine geistige Benommenheit abschütteln und gelangte früh genug zur Besinnung, um Deckung hinter einem Stein zu suchen und Dharogar auf dem Boden mit sich zu ziehen. Schleifspuren prägten sich in den von Flusswasser und Blut aufgeweichten Boden ein, und würden etwaige Verfolger direkt hinter den Stein zu Taldaras und Dharogar führen. Sollte sich Taldaras' Sorge bewahrheiten?

"Fürs erste bist du hier sicher, halte durch! Ich formiere die Männer...dann komme ich zurück.", wies Taldaras den verletzten Dharogar an, der mit verzerrten Gesichtszügen die blutenden Pfeillöcher in seiner Schulter zudrückte. Schwer atmend lehnte er sich sitzend gegen den Stein und blickte Taldaras ein letztes Mal in die Augen, ehe dieser die Deckung verliess und kampfbereit sein Schwert zog. Geschwind lief er in die Richtung der übrigen Soldaten, die er neu zu formieren gedachte, um gegen die Angreifer vorzugehen.

Doch da gab es keine Männer mehr, die man hätte zum Kampfe aufrufen können.
Da gab es kein Leben mehr, das man hätte beschützen können.

Wie angewurzelt blieb Taldaras stehen und starrte auf die unzähligen leblosen Körper, aus denen das Leben geschwunden war und die ihren roten Lebenssaft nun an die Erde unter ihnen vergaben. Dem jungen Krieger bot sich ein schreckliches Bild: Der Tod in seiner bösesten und gnadenlosesten Form.
Unbewusst löste er sich aus seiner Kampfhaltung und liess das Schwert sinken. Mit allen Sinnen von der Welt entrückt sackte er auf seine Knie, besiegt von dem Wahnsinn des Krieges.

Dharogar derweil versuchte den Schmerzen seiner Verletzung standzuhalten und der Bewusstlosigkeit verbissen zu trotzen. Der Söldner strengte sich an, ruhiger zu atmen und schloss die Augen. "Nur einen Moment ausruhen...nur einen kurzen Augenblick..."
Ein lautes Krächzen, wie aus weiter Ferne ließ ihn aufschrecken. Er blickte in die Baumkronen über sich und sah einen riesigen schwarzen Vogel, der ihn mit einem spöttischen Blick ansah. "Na...bist du gekommen...um mich...abzuholen ?" Dharogar lächelte finster.
Der Vogel breitete seine riesigen Schwingen aus und die Welt versank in Dunkelheit.

Totenstille legte sich über das Flussufer des Anduin, der noch vor Kurzem heiter vor sich hingesprudelt war. Rinnsaale an Blut ergossen sich in das Nass des Flusses und vermischten sich mit der Unschuld seiner Reinheit.
Die Tat jedoch, die hinterrücks an diesem bestimmten Uferstück begangen worden war, würde sich mit Nichts in der Welt wieder reinwaschen lassen.

Was blieb?
Ein schmerzendes ~Warum?~, das nach dem Grund dieser Gräueltat suchte.
Zwei Männer, die den Hinterhalt als einzige überlebt zu haben schienen.

Und eine Kiste.
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Ristred
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Beitrag von Ristred »

9 Jahre später...

Breeland, Frühling des Jahres 3018 im III. Zeitalter

Siegreich waren sie zurückgekehrt. Ausgezogen, um die Diener Angmars an einer Stelle zu verwunden, in der sie keine Unterstützung ihres Herrschers erwarten konnten. Eingeschlossen in Bergen, weit entfernt seiner großen, schwarzen Festung. Annûminas, einst ein großes Reich stolzer Menschen, nun nur noch Ruinen, halb versunken im großen See. Keine Klänge freudiger Stimmen und spielender Kinder, rufender Händler und übender Krieger. Grabräuber besiedelten die Stadtgrenzen und Angmarim bewohnten die letzten frei stehenden Gebäude. Doch ein Bündnis von Menschen, Elben und Zwergen stürmte nach langer Zeit diese entehrte Stadt und gab ihr die Würde zurück, die ihr zustand. Angmar, der gefürchtetste Feind Eriadors, blutete nun aus einer tief klaffenden Wunde. Doch auch die Soldaten, die unter dem Banner Gondors sich versammelt hatten, waren nicht ohne Verluste zurückgekehrt. Zurückgekehrt in ihre eigenen Hallen. Celestiel, die ihre Gemeinschaft vom Angmar nach Evendim geführt hatte, sie war verschollen. Kein Wort, kein Brief, nichts, was ihr Fehlen erklären konnte. Sie war verschwunden. Ob entführt, geflohen oder tot, niemand wusste das zu beantworten. Erst verloren sie Taldaras und nun auch sie.
Der Mut, den sie durch ihren Sieg errungen hatten, schwand aus ihren Herzen und Unbehagen kam in ihnen auf. Ihre Führung, sie, die in alles eingeweiht war, befand sich vielleicht in den Händen des Feindes. Sie und das Geheimnis, dass sie alle zusammen hielt.
Eine Zeit des Wartens begann. Eine Zeit, in der sie sich von ihrer letzten Hoffnung nährten.



Breeland, Sommer des Jahres 3018 im III. Zeitalter

Sie kam nicht zurück. Die Hoffnung auf ihre Rückkehr starb.

Es wurde ruhig in Schwarzwall, die Hallen des gondorischen Trupps. Ratlos wanderte jeder für sich allein. Suchte für sich selbst eine Antwort, bis sie sich wieder in ihren Hallen versammelten. Egin, ein Mann aus Esgaroth, der schon an der Seite Taldaras stand, wurde zu ihrem Anführer ernannt, denn sein Wissen über die Vergangenheit wurde mit dem Verlust Celestiels unbezahlbar. Er erinnert sich an ein paar Worte, die Celestiel Navayron einmal gesagt hatte. Eine Kiste, die einst im Besitz ihres Gründers war, sie musste noch in seinem alten Haus liegen. Verborgen, hinter einer Falltüre im Keller. Lange stand es leer und war unbewohnt.
Er beauftragt Aglaron und Elemiril, zwei befreundete Elben, die nicht zum Trupp gehören und damit unverdächtig sein sollten, mit dem Interesse das Haus zu erwerben, nach dieser Truhe zu sehen. Aglaron erkannte die Truhe als eine aus Zwergenhand gefertigte. Sie fertigen Zeichnungen an, besonders das Schloss beachteten sie, denn es war kein gewöhnliches. Nur die richtigen Schlüssel würden ihr Geheimnis preisgeben. Es brauchte die Schlüssel, die der Erbauer selbst dafür angefertigt hatte. Doch diese waren im ganzen Haus nicht zu finden. Sie verschlossen das Versteck wieder und kehrten mit den Skizzen der Truhe zurück.

In ihren Hallen beschloss die Gemeinschaft, dass ihr Schmiedemeister Kelim und Narcadoc, ein begabter Drechsler des Trupps, Kopien der Truhe anfertigen sollten. Diese sollten Verfolger verwirren, während sie die Richtige aus ihrem Versteck im alten Hause Taldaras hervorholen würden. Zu den Kopien der Truhe, bauten sie noch größere Kisten, um die Truhe von Taldaras und die Kopien in diesen zu verbergen. Eine zusätzliche Möglichkeit Beobachter zu verwirren.

Tief in der Nacht, als der Mond von den Wolken erstickt wurde, nehmen sie die Kiste im verlassenen Haus in ihren Besitz und stellen statt ihrer eine Kopie in das Versteck. Mit der zweiten Kopie und der Kiste brechen sie auf. Sie durchwandern die Hügelgräberhöhlen, in denen sie zwei Uruk-Hai, die ihnen folgten, bemerken. Diese werden noch im selben Moment getötet. In Tom Bombaldis Haus verbringen sie die Nacht, wie es geplant war. Als sie am frühen Morgen aufbrechen, ist eine Truhe nicht mehr in den Satteltaschen. Sie wurde in dem gemütlichen Haus im Alten Wald im Keller liegen gelassen, da ihnen das Treffen mit den beiden Uruk-Hai gezeigt hatte, daß sie beobachtet werden. Mit der zweiten Kopie nehmen sie die Straße in das Land der Hobbits, nach Michelbinge, wo das Mathom-Haus seine Ausstellungen, Erbstücke und Erinnerungen lagert. Dort wird sie in den Lagerräumen der Erbstücke und Kunstgegenstände, gelagert mit der Aufschrift: „Enthält Bücher - Praktische Philosophie, Höhere Mathematik, Fasten für Anfänger.“ In der Hoffnung, eine derart markierte Truhe würde nie ein Halbling öffnen und die Kiste darin entdecken.

Zur gleichen Zeit bricht ein Krieger des Trupps nach Gondor auf, um herauszufinden, wer für den Überfall vor neun Jahren verantwortlich war. Über den Verräter erhofften sie sich Informationen, ob sich wirklich in der Truhe das befand, was sie glaubten und wer in dessen Besitz gelangen will und dafür bis jetzt so viele Tode in Kauf nahm.

Egin selbst nahm den Weg in die größte Bibliothek Eriadors auf sich. Er weiß, welches Gerücht sich um die Truhe webt und was erzählt wird, was sie enthält. Doch die Bücher dort sagen etwas anderes. Was auch immer sich darin befand, das Buch bewies, dass ihr Geheimnis sich nicht in dieser Kiste befand. Der Gegenstand hätte die Kiste, mit all ihren Metallbeschlägen, viel gewichtiger erscheinen lassen müssen, doch zu zweit war sie leicht zu tragen gewesen. Mit dieser Gewissheit bricht er auf. Doch er findet nur noch wenige vor. Der Krieger, der aus Gondor zurückgekehrt war und Anrangar, der den Hallen über die Zeit treu geblieben ist. Sie tauschten ihre Informationen, die sie gesammelt hatten, untereinander aus und einigten sie nach einer Nacht voller Gesprächen und Diskussionen auf ihren nächsten Schritt. Der Verräter hatte mächtige Auftraggeber, ihn galt es zu finden. Sie hinterließen eine Nachricht für alle, die nicht anwesend waren und brachen auf. Denn auch wenn das Geheimnis der Kiste verborgen bleibt, so sind sie sich ihrer letzten Verantwortung bewusst. Den Verräter zu finden und das Geheimnis vor der Macht dunkler Gedanken zu bewahren.
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Beitrag von Ristred »

Breeland, Spätsommer des Jahres 3018 im III. Zeitalter

Die ersten Sonnenstrahlen fielen auf die Nord-Süd-Straße, der Morgentau glitzerte den müden Augen entgegen, der dichte Nebel zog langsam gen Süden. Für die frühe Jahreszeit war der Himmel überraschend frei von Wolken. Eine kleine Herde von Rehen, vertrieben aus den Wetterbergen, kreuzte die alte Straße auf der Suche nach Nahrung in diesem sandigen Boden. Die zwei Gestalten, die um ein erloschenes Lagerfeuer saßen, schienen sie kaum zu beachten. Sie waren eingehüllt in ihre Mäntel, die Kapuzen tief in das Gesicht gezogen und in regelmäßigen Abständen zogen immer wieder kleine Atemwolken aus den Kapuzen in die kalte Morgenluft. Es war nicht genau zu erkennen, um wen es sich handelt. Auf Grund ihrer kräftigen Statur konnte man auf zwei Männer schließen. Auf Ihren Broschen, die die Mäntel auf Höhe des Halses zusammen hielten, war das Wappen Navayrons eingraviert. Zu ihren Füßen lagen Waffen, aufgeteilt zu zwei kleinen Lagern. Ein Bogen, ein gut gefüllte Köcher, Schwert und Dolch schienen zu einer der beiden Gestalten zu gehören. Der Bogen lehnte mit der Bogensehne gen Himmel an seinem rechten Bein, ein einzelner Pfeil direkt daneben gelegt. Vor der zweiten Gestalt lag quer ein Bastardschwert, Dolch und Helm. Sie sprachen kein Wort, blickten nur gen Süden, die Straße entlang, bis diese sich im Nebel verlor.

Das Aufschlagen von Hufeisen und das Quietschen eines voll beladenen Wagens kündigten den Händler an, bevor er zu sehen war. Der Bogenschütze richtete sich langsam auf, den Bogen in der Hand, den Pfeil in die Sehne gelegt. Für den Wagenfahrer war er nun nicht mehr zu übersehen. Als er den Schützen sah, zog er die Zügel an, um seinem Pferd zu signalisieren, stehenzubleiben. Wie die zwei Gestalten hatte sich auch der Händler tief in seinen Mantel eingewickelt. Durch eine Plane hatte er seine Waren vor Wetter und neugierigen Augen geschützt. Langsam stieg er von seinem Wagen ab und ging in kurzen Schritten auf die stehende Gestalt zu. Als sie sich nur noch wenige Schritte entfernt voneinander standen und beide die Gesichter des anderen sehen konnten, nahm der Bogenschütze seinen Pfeil von der Sehne und reichte dem Händler seine freie Hand. Nicht mehr als ein leises Nuscheln war zu hören, bevor beide sich zu dem zurückgebliebenen Krieger setzten. Niemand konnte mit Sicherheit sagen, was der Händler den beiden Männern erzählte. Aber was zu hören war, ließ selbst das Tierreich um sie herum verstummen. „Der Schatten in Mordor wächst!“, „Die Leuchtfeuer wurden entzündet!“, „Osgiliath ist gefallen und das Schicksal der weißen Stadt ist ungewiss!“.

Der Händler lockerte die Zügel und das Quietschen des Wagens bedeutete, dass dieser seinen Weg fortsetzte. Stumme Worte fielen zwischen den beiden Männerblicken.

Einer der Männer begann mit tiefem Ton ein Lied zu summen. "Es wird Zeit", sagte er plötzlich und setzte dann sein Summen wieder fort. Sie ergriffen Bogen, Dolche und Schwert, um sich für den Weg zu rüsteten. "Schwere Wege haben wir hinter uns, zu viele der Unseren verloren. Gemeinschaft? Können wir noch davon sprechen?" Ein Seufzen war zu hören. "Vielleicht ist dies nun unser letzter Weg", sprach der Andere. Das Summen verstummte. "Es wird Zeit."
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Beitrag von Ristred »

Minas Tirith, Spätsommer 3019 III. Zeitalter

‚Dieser schreckliche Nebel… nicht einmal die Mauer, kann ich erkennen.‘ Es war der erste Gedanke, der ihm kam, nachdem zwei Wachleute an der Tür des Archivs geklopft hatten. Vor seine Füße stellten sie eine hölzerne Truhe, genauer gesagt, nur einer. Der andere sah ihn nur genervt an und ließ ihn wissen, dass es nicht ihre Pflicht sei, dem Archiv, die aktuellen Funde von scheinbar historischer Bedeutung, die fünf Ringe hoch zu tragen. Er solle doch seine eigenen Arbeiter nach unten schicken. Direkt nach der Belehrung, waren sie auch schon wieder im Nebel verschwunden, ließen ihn mit der Truhe und einem zusammengerollten Pergament ohne Erwiderung zurück. Wahrlich waren in den letzten Wochen viele Truhe mit Artefakten zu ihm geliefert worden. Die meisten stammten aus Mordor, wo sie Sauron überdauerten und nun nach Kriegsende dem dunklen Schatten entkommen konnten. Es würde sie noch Jahrzehnte beschäftigen, bis sie jedes Stück gereinigt haben und einer Epoche zuordnen können. Noch lag die Konzentration der Stadtleute auf der Wiederinstandsetzung Minas Tiriths. Auch wenn er es wegen des Nebels nicht sehen konnte, so war noch immer ein Gerüst um die, gut zwanzig Schritte von ihm entfernte, Mauer gebaut, der er gegenüber stand.

‚Vermutlich dickes Eichenholz‘, war sein Gedanke, als die alten Finger nur schwer die Truhe anheben konnten. Das Schloss war aus massiven Metall, zwei Schlüssellöcher nebeneinander eingebaut, getrennt nur durch eine Gravur zweier gekreuzter Schwerter. Sie war alles andere als rustikal. Der Schreiner verstand sein Handwerk, die Flächen waren glatt, das Korpus scheinbar aus einem Stück. Der Deckel war fest verschlossen, nicht einmal Luft konnte der Kiste entweichen. An einem der Griffe, die seitlich angebracht waren, hing ein dicker heller Wollfaden, der zwei Schlüssel trug. Die Schlüsselköpfe schienen einem Schwertgriff zu ähneln. Die Kammbärte komplex. Hier war etwas verschlossen, dessen Schutz viel Aufmerksamkeit zugekommen war.

Sein Blick fiel auf das Pergament, das er noch immer in der Hand hielt. Der Brief war mit rotem Wachs versiegelt. Ein Wappen des Versender nicht eingeprägt. Erste feine Risse konnte er im Wachs erkennen, sodass er es einfach mit den Fingern durchbrechen konnte. Scheinbar war es absichtlich so fragil angebracht worden, denn das Papier wirkte noch frei von äußeren Einflüssen, die das Alter mit sich brachte. Mit grober Handschrift standen dort nur wenige Sätze:

Wir bewachten die Truhe, die Hauptmann Taldaras Arnum einst in den Norden brachte. Sie veränderte Leben, sie nahm Leben. Am Ende war nur noch ein Wächter da. Doch die Truhe blieb stets unberührt vom Feind. Der Inhalt wurde nur von Ohr zu Ohr geflüstert. Die Schlüssel berührten nie das Schloss.

Mit dem Untergang des Feindes und der Rückgabe der Truhe endet nun auch die letzte Wache.

Die Augen huschten schnell zu den beiden Schlüsseln der Truhe, von Neugierde und Sentimentalität erfasst. Das Verlangen, die Truhe auf Ort und Stelle zu öffnen, stieg in ihm auf. Aber die Worte des Briefes gaben ihm das Gefühl, dass die Truhe, mit ihrer Geschichte, nicht Hast, sondern Würde verdiente. Der Kurator stieß, mit dem Gewicht seines Oberkörpers, die schwere Tür hinter sich auf, um zwei seiner Arbeiter heranzuwinken. Die Truhe zu tragen, wurde ihm durch sein Alter verwehrt. Sie zu öffnen, war durch seine lange Erfahrung sein Privileg. Der Truhe folgend, fiel die alte Tür ohne jeglichen Widerstand wieder zurück in ihr Schloss.

Schemenhaft konnte man von der Tür noch zwei Gestalten im dichten Nebel erkennen, die eine größer als die andere, die Gesichter verborgen unter Kapuzen. Als die Türe des Archivs durch das schwere Zufallen selbiger, den Nebel vor sich wegstieß, wurden die Schatten ganz vom Nebelschleier verschluckt.
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