Alte und neue Bürden

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Celestiel
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Alte und neue Bürden

Beitrag von Celestiel »

Trollhöhen, Grenze zu Eregion

Der Tag konnte sich nicht gegen die anbrechende Nacht behaupten. Jämmerlich erlagen die letzten Sonnenstrahlen der aufkommenden Dunkelheit, die sich bedrohlich wie schützend zugleich über das kleine Waldstück legte. Nur ein schwaches Licht leuchtete hier und da unter dem dichten und weitläufigen Blätterdach auf, je nach dem wie sehr der kühle Windzug, der die Blätter hin und her schaukelte, gewillt war, einen Blick auf das kleine Lager freizugeben.
Zwei Gestalten sassen schweigend auf dem mit Laub bedeckten Boden, die dicken Mäntel fest um die Körper gezogen, um der Kälte zu trotzen.
Sendraen hob den Blick, um ihre Reisegefährtin genauer ins Blickfeld zu fassen. Nachdenklichkeit wurde in ihren Zügen vorherrschend, als sie die junge Frau beobachtete, welche auf den ersten Blick nicht mehr als jene vornehme gondorische Dame zu erkennen war, die man kannte. Wirr und unordentlich lag das lange schwarze Haar auf ihren Schultern und der goldene Haarreif hielt nur lose die unbändigen Strähnen zurück. Celestiel strich sich müde mit der Handfläche über das Gesicht und die Augenpartie, aus welcher das klare Blau ihrer Augen nicht mehr so herausstrahlte wie man es sonst gewohnt war.
„Lass dir das Herz nicht verdunkeln. Fliehen jedoch ist der falsche Weg, um das Licht erneut zu erblicken.“
Celestiels Reaktion war fast nicht sichtbar. Nur dezent schwenkte ihr Kopf in die Höh’, nur um sogleich wieder mit ihrem Blick das prasselnde Feuer anzusteuern.
„Bruchtal ist nah’. Nicht mehr lange und ich kehre zu der Meigol i Estel zurück.“
„Davon rede ich nicht.“
Natürlich tat sie das nicht, fügte Celestiel in Gedanken an und schnaubte innerlich auf. Ihre Reise konnte sie schon lange nicht mehr damit begründen, für die Gemeinschaft Informationen gesammelt zu haben. Zu offen war die klaffende Wunde in ihrem Herzen. Für jedermann sichtbar.
„Andere Aufgaben sind nun dringlicher. Die Meigol i Estel muss über die neuesten Erkenntnisse informiert werden. Wir stehen kurz davor, das Schwert wieder in unseren Besitz zu bringen!“
Schwach züngelte das Feuer in ihren Augen, Anzeichen dafür, dass ihre Suche Wissen offen gelegt hatte, dass geradezu ein Feuer der Entschlossenheit in ihr entfacht hatte. Und doch war es einem zu starken Wind ausgesetzt, um seine ganze Stärke zu entfalten.
„Dazu ist eine starke Hand und ein klarer Kopf von Nöten. Beides hast du zurzeit nicht. Zu weit weg sind deine Gedanken vom eigentlichen Ziel.“
„Das wird sich ändern.“, folgte prompt die Antwort von Celestiel.
Nun war es an der Elbe einen stillen Moment verstreichen zu lassen und Celestiel mit einem fragenden Blick zu bedenken. Sendraens Schweigen sah Celestiel wohl als Aufforderung an, weiterzusprechen:
„Die Meigol i Estel wird zu dem gemacht, was sie in der Öffentlichkeit sein will...sein muss. Eine starke militärische Macht im Auftrage Gondors, organisiert und strukturiert . Kein loser Verbund. An dieser starken, glaubwürdigen Präsenz wird sie zuerst jenen drei Sippen gegenüber arbeiten, mit denen bereits diplomatische Beziehungen bestehen.“
Sendraen war stets eine Meisterin darin, ihr Gesicht in eine Ausdruckslosigkeit zu betten, die keinen Schluss auf ihre Gefühle zuliess. Nun jedoch musste sie ein offenes Zugeständnis an ihre Verwunderung machen.
„Wir alle haben unsere eigenen Ziele. Es ist jedoch weiterhin mein Bestreben, diese Gemeinschaften zusammenzuführen, auch wenn ich dies mit meinem Weggang gänzlich vernachlässigt habe.“
„Mach dich nicht zu jemandem, der du nicht bist, Celestiel.“
Sanft erklang die Stimme der Elbe, welche ungewohnt emotional auftrat. Wahrlich versuchte sie es Celestiel ans Herz zu legen, ob diese jedoch dafür Gehör finden würde, war eine gänzlich andere Frage.
„Manchmal muss man in fremde Rollen schlüpfen, um Ziele zu erreichen, die sonst unerreichbar scheinen.“
„Du versuchst deine innere Angeschlagenheit mit einer Stärke zu kaschieren, die du zurzeit nicht hast. Das weißt du sehr wohl.“
Und wie sie es wusste. Wieder in eigenen Gedanken brütend, liess Celestiel die Dunkelheit sich still um die Lagerstätte verdichten. Die Bürden auf ihren Schultern liessen ihr Gewicht wieder spüren und die Zweifel begannen aufzukeimen. Was, wenn sie einen Bruch herbeigeführt hatte bei den verbündeten Sippen mit ihrem plötzlichen Weggang? Was, wenn das strapazierte und höchst mühsam gesponnene Band zwischen Lue und ihr entzwei gerissen war?
Was tun, wenn sich die Gerüchte, die Sendraen und sie vernommen hatten, für die Meigol i Estel bewahrheiteten? Und wo Hoffnung suchen, wenn das eine Schwert, jenen Gegenstand, der Grund für ihre Suche war, schon längst wieder an einem anderen Ort war?
Und Falandir?
Celestiels Herz verkrampfte sich augenblicklich, als ihre Gedanken an diesen Namen stiessen, der wie eine brennende Narbe allgegenwärtig in ihren Gedanken auftauchte. Und so wendete sie alle Kraft dafür auf, ihr Herz zu verschliessen, um jene Reise zu Ende zu bringen, von der sie sich Antworten erhofft hatte. Antworten und Abstand. Aus Antworten waren jedoch nur mehr Fragen geworden und aus dem Abstand war eine Sehnsucht hervorgegangen, die sie nicht empfinden wollte.
„Rede mit ihm.“
Das ohnehin fast abgebrannte Feuer wurde von Celestiel kurzerhand mit der Stiefelspitze erstickt, doch hielt sie kurz inne, als Sendraens Bitte und Rat sie erreichten. Nachdenklich harrte sie einen Herzschlag lang an Ort und Stelle, den Blick auf die glimmende Glut gerichtet.
„Gehen wir. Es ist nicht ratsam zu lange hier zu verweilen.“
Celestiel sprach’s und packte sogleich ihre wenigen Sachen zusammen, die sie auf ihren Rücken schulterte. Mit schnellen Schritten trat sie den Weg gen Nordosten an. Sendraen blickte ihr einen Moment schweigend nach, unruhig und nachdenklich gestimmt ob Celestiels Aufgewühltheit, die sie sich nicht eingestehen wollte.

Eines Tanzes gleich wirbelte der Wind die Asche des niedergebrannten Feuers auf und verstreute diese in alle Himmelsrichtungen. Für Celestiel jedoch gab es nun mehr nur noch eine Richtung.
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