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Re: Der letzten Verantwortung bewusst

Verfasst: Sa 8. Jan 2011, 15:45
von Egin
Delfblick

Etwas unwirklich kam ihm die Situation schon vor, als Egin sich auf dem Feldbett sitzend umblickte. Um sie herum emsig wuselnde Zwerge, gestikulierend, feilschend, Waren be- oder entladend, Werkzeug und Waffen reparierend, Wache haltend, oder einfach nur sich redlich erschöpft ausruhend. Delfblick, dem Vernehmen nach der erste größere Brückenkopf der Zwerge in Moria nach dem Hulstentor.
Ab und an schielte mal einer der untätigeren Zwerge zu ihnen herüber, um schnell wieder wegzublicken. Wirklich zu interessieren schien sich hier aber niemand für den kleinen Trupp der Meigol i Estel. Immerhin ließ sich ein Zwerg die Gelegenheit nicht entnehmen, für ein paar Silberlinge einige Pritschen für die Nacht zu vermieten. Es wurden jedoch keine Fragen gestellt, die Zwerge in Delfblick waren über die Reise der Truppe wohl, wie versprochen, informiert.

Vor zwei Tagen waren die Gefährten in Echad Dunnan angekommen. Während Egin sich dort um das Auffüllen der Vorräte kümmerte, verhandelten Kelim, Larelie und Aendis mit dem diensthabenden Offizier der Wache beim Zugang zum Paß nach dem Hulstentor über einen Passierschein durch Moria. Der Offizier vermutete anfangs einen Scherz. Doch nachdem ihm klar wurde, daß das Anliegen ernst gemeint war, überlegte er kurz, versprach dann beim Hauptmann der Wache in dieser Angelegenheit vorzusprechen. Kelim müsse aber sein Ehrenwort als Zwerg geben, für ein tadelloses Verhalten der Gemeinschaft unter dem Berg zu bürgen. Kelim, wohl wissend um die menschlichen Charaktere seine Gefährten, fiel dies sichtlich nicht leicht, aber er schluckte diese Kröte.
Eine Passage mit Pferden würde, aufgrund der Bodenbeschaffenheit in Moria allerdings nicht möglich sein, aber gleich in der ersten Halle nach dem Hulstentor würden Lastziegen zum Mieten angeboten. Auch gäbe es keine verläßlichen aktuellen Karten der Minen.

Gestern konnte der vom Hauptmann der Wache unterschriebene Passierschein abgeholt werden. Die Passage sei erlaubt, Unterstützung in Form einer Eskorte könnten die Zwerge nicht bieten, aber die Stützpunkte in Delfblick, der Kammer der Scheidewege und der 21ten Halle würden über die Reise informiert. Hierbei kam es allerdings zu einem Eklat. Ristred bezweifelte in Anwesenheit des Zwergenoffiziers die Sinnhaftigkeit des Dokumentes, da die Zwerge keinen Anspruch auf die Weg durch Moria zu erheben legitimiert seien, sie hätte ja noch nicht ganz Moria in Besitz nehmen können. Es fielen verärgerte Worte. Am wütendsten war Kelim, der ja für das Verhalten der Truppe gebürgt hatte. In seiner Wut zerriß er gar den Paß. Egin nahm die Teile des Schriftstückes an sich. Möglicherweise könnte ja einst auch ein beschädigtes Dokument von Hilfe sein. Wer wußte denn schon, welche Hilfe seitens der Zwerge auf der Reise noch vonnöten sein würde.
Die Gruppe der Gefährten erreichte am Abend das Hulstentor, konnte ungehindert passieren und stand staunend in der riesigen westlichen Eingangshalle von Khazad-Dum. Am östlichen Ende der Halle stieg eine endlos erscheinende breite Treppe gegen den Himmel an, wie man sagen könnte, wäre hier ein Himmel erkennbar gewesen. Egin gelang es vier Transportziegen anzumieten. Er bezahlte mit Golderzen, die Eiswyn spendete.

Heute in aller Frühe wurden dann die Vorräte aus Echad Dunnan geholt, dort auf die Lastziegen geladen und hinter dem Hulstentor begann der Aufstieg auf die große Treppe. Das Ziel hieß Delfblick. Das Fehlen einer Karte erwies sich schon bald hinter der Treppe als unvorteilhaft, immer wieder teilten sich Wege, nahm ein Tunnel, der anfangs in die richtige Richtung gewiesen, eine Wendung oder endete abrupt. Zweimal kamen die Gefährten dabei dicht an einem Billwiss-Bau vorbei, konnten aber vermeiden, gesehen zu werden. Am gefährlichsten erwiesen sich seltsame Tiere, eine Mischung aus Kröte und Schwein mit längerem Rüssel und scharfen Krallen, die sich doch recht aggressiv zeigten. Größere Sorgen noch machte jedoch das Umherirren in den verschlungenen Gängen. Zudem konnte sich Egin aufgrund der ihm unvertrauten Atmösphäre hier unten nicht auf seinen sonst so sicheren Sinn für Gefahren verlassen. Gerade wenn Egin dachte, es wäre nun des Irrens genug und begann sich nach einer Stelle die sicheres Rasten verspräche umzusehen, trafen sie wieder auf einen vereinzelten Zwerg, der die weitere ungefähre Richtung nach Delfblick anzugeben vermochte. So waren sie denn letztendlich erschöpft und bar jedes Gefühls für die Zeit, dennoch erleichtert hier angekommen. Delfblick stellte sich als eine gemauerte Plattform heraus, mit einer richtigen Decke. Dies war wohl der Umstand, der Egin am Meisten gefiel, hier konnte das Auge einen Halt finden. In den Gängen und Hallen, die sie an diesem Tag passiert hatte, war große Strecken lang weder ein Himmel, noch eine Decke über ihnen erkennbar, was er als äußerst irritierend empfand. Er hatte sich des öfteren dabei ertappt, daß er mit eingezogenem Kopf marschiert war. Erst kurz vor Delfblick hatte er sich einen Helm aufgesetzt, mit dem er sich dann augenblicklich zumindest etwas sicherer gefühlt hatte.
Und nun saß er also auf der angemieteten Pritsche, noch erfüllt von den Eindrücken des Tages, die übererregten Sinne beruhigten sich langsam, die Müdigkeit übernahm die Direktive, wogegen keiner seiner Sinne Einspruch erhob. Egin legte sich langsam zurück aufs Bett, schloß die Augen. „Die nächste Etappe müssen wir morgen besser erkunden!“, war das Letzte, was noch an wachem Gedanken seinen Kopf passierte.