Celestiel Navayron

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Celestiel
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Re: Celestiel Navayron

Beitrag von Celestiel »

XI. Eine schicksalshafte Begegnung (Jahr: 3018)

Unverhofft war das Aufeinandertreffen mit dem gondorischen Krieger auf dem Vorplatz des Gasthauses zu Bree. Als Taldaras Arnum stellte er sich vor, Anführer einer Gemeinschaft mit dem Namen ‚Meigol i Estel’. Scheinbar eine gewöhnliche Gemeinschaft aus Abenteuern und Reisenden, die sich zusammengeschlossen hatten, um Abenteuer zu bestehen. Wahrlich nichts Weltbewegendes, so waren dieser Tage viele solcher Gruppierungen unterwegs. Ohne festen Hintergrund. Lose oder auch feste Zusammenschlüsse, Anlaufstellen für all jene, die der Einsamkeit trotzen wollten. Und so liess sich auch Celestiel auf eine solche Gemeinschaft ein, in der Hoffnung der Einsamkeit zu entfliehen. Niemand hätte sie jedoch darauf vorbereiten können, was in den kommenden Monaten folgen sollte.
Ominöse Angriffe, die von Mal zu Mal an Bedrohung gewannen, zwangen die Gemeinschaft dazu, sich eine schützende Tarnung zu geben. So sollte die Meigol i Estel fortan nur noch als gondorischer Trupp in Bree und Umland bekannt sein und Celestiel als Schreiberin eben jenes Trupps. Die genauen Hintergründe dieser Gemeinschaft blieben jedoch ebenso verschleiert wie die Angriffe, deren Verursacher namen- und gesichtslos waren. Eine aufreibende Zeit, die nur mit starkem Zusammenhalt bewältigt werden konnte. Dieser Zusammenhalt wandelte sich bei Celestiel und Taldaras in eine starke Zuneigung, der jedoch Steine in den Weg gelegt waren. Taldaras verstand sich vortrefflich darin, jedwede Gefühlsregung hinter seiner stoischen Miene zu verbergen. War Celestiel also nicht im Begriff wieder den gleichen Fehler zu begehen? Einen Mann zu lieben, den sie sich wieder mit dem Schlachtfeld teilen musste und der nie ganz ihr gehören würde?
Menschen sind in Liebesdingen nicht nur blind. Sie sind auch unbelehrbar.
Oder war Celestiels Handeln nur von ihrer Naivität bestimmt?
Egal, was schlussendlich der Grund war, Celestiel knüpfte ein enges Band zu Taldaras, mit jenem stolzen Krieger Gondors, der in Gefühle ein Übel sah, das es zu vermeiden galt, lenkten ihn diese doch von seiner eigentlichen Aufgabe ab.
Eine Aufgabe, die nur Eingeweihte kannten.
Eine Aufgabe, die ganze Schicksale bestimmte.
Eine Aufgabe, die er nie zu Ende führen sollte.


>>Was tun, wenn ein Teil deines Herzens wegbricht? Stehst du gerade und wirst dem Schmerz trotzen? Oder lässt du dich von ihm wegtreiben? Ein schnellend, reissender Fluss, der tosend über dich hereinbricht und dich mitreissen wird, an einen Ort, wo keine Menschenseele auf dich warten wird. Ja, du wirst allein sein, mit dem Wissen, dass nach deinem Fall niemand mehr da sein wird, der dich auffangen kann. Denn dieser jemand - er ist hinfort.<<


Innerlich wusste sie es bereits, als sie das Wappen Gondors in seinem Waffenrock eingestickt sah. Mit ihrem tapferen Lächeln schien sie jedoch zu versuchen ihre innere Gewissheit herauszufordern, zu einem Kampf, den sie nimmer gewinnen konnte. Regungslos und stumm beobachtete sie wie der Bote stramm das Pergament aufrollte und in monotoner Stimme vorzulesen begann:
"Wir bedauern zutiefst Euch mitteilen zu müssen, dass Euer Gemahl und unser treuer Kamerad Hauptmann der zweiten Verteidungswall Taldaras Arnum im Kampf um die Verteidigung Gondors gefallen ist. So möchten wir unser tiefstes Bedauern aussprechen. Gondor hat einen tapferen Sohn und Krieger verloren. Doch war sein Tod nicht vergebens, diente jener doch einem höherem Zweck. Mögen seine ruhmreichen Taten, sein Opfer nicht in Vergessenheit geraten und sein Mut auf uns alle übergehen. Gezeichnet Bentalas Jorsan, Feldherr der vierten Verteidigunswall, Minas Tirith."
Sie sah die Blicke nicht, die in stummer Trauer zu Boden sanken. Sie nahm nicht wahr, wie Grisgrim in die Halle stürmte. Sie hörte das Schluchzen von Kanwyn nicht, ebenso wenig wie sie hörte, dass der Krug aus Kanwyns Händen glitt und scheppernd auf den Boden knallte, um dort in unzählige Stücke zu zerbrechen. Sie bemerkte nicht einmal, dass ebendies auch mit ihrem Herz geschah. Es zerbrach, wurde von einer unsichtbaren Klaue zerquetscht, die sich fest um ihr Herz drückte. Vom Schicksal eingeholt und gemeistert, zu Boden gedrückt und mit Tritten gepeinigt.
"D-das...das ist doch Unsinn! Das kann nicht sein...Taldaras ist in Gondor, bei den Letzten seiner Familie!"
Celestiel begann hektisch um sich zu blicken, suchte mit ihrem Blick fieberhaft nach der Bestätigung, die sie in ihrem Innern misste. Ihre Züge resignierten ob der Verzweiflung, die von ihr Besitz ergriff, als rundherum nur stummes Kopfschütteln sie erwartete. Der menschliche Verstand spielte ihr Streiche, wollte nicht erfassen, was längst geschehen und nicht mehr rückgängig zu machen war. Und doch hielt sie an einem irrwitzig kleinen Funken Hoffnung fest, der einfach nicht weggefegt werden wollte. Ihrem Blick wohnte Unglauben inne. Unglauben darüber, dass all dies wirklich geschehen war. Dass man sie eines Menschen beraubt hatte, mit dessen Wegsterben ebenso ein Teil ihres Herzens verdorrte. Ein Gefühl machte sich in ihrem Bauch bemerkbar, das Wut gefährlich nah' kam. Aufrecht? Oh ja, sie stand aufrecht, doch konnte man schwerlich übersehen, dass sich jede Sehne in ihrem Körper dem Schmerz unterwarf, wie alles in ihr nachgab. Was bliebt war ein kümmerliches Abbild ihrer selbst. Sie driftete ab in einen Strudel an hereinbrechenden Gefühlen, unfähig alle Geschehnisse klar zu erfassen. Nur bruchstückhaft konnte sie sich später an diesen Abend erinnern. Gedankenfetzen, wirr aneinander gereiht und kaum zu ordnen, selbst dann nicht, als sie das Sippenhaus schliesslich verlassen und in Bree Zuflucht vor ihrem verfolgenden Schmerz gesucht hatte.

Taldaras kehrte nie aus Gondor zurück. Aufgebrochen, um sich um Familienangelegenheiten in der Heimat zu kümmern, fand er seinen Tod unter mysteriösen Umständen in einem Waldstück irgendwo in Gondor. Er hinterliess einen schlichten Schlüssel in Celestiels Obhut, dessen Zweck bis heute ungeklärt blieb. Sein Vermächtnis war jedoch auch eine Bürde, der sich eine Person annehmen musste. Vorerst galt es jedoch eine Trauer zu bekämpfen, die eine ganze Gemeinschaft ins Wanken brachte. Und Celestiel suchte ihren Trost an den Ufern Evendims. Ein schicksalsträchtiger Ort für sie und eine Person, deren Seele nicht minder gemartert war wie die ihre.
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Celestiel
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Re: Celestiel Navayron

Beitrag von Celestiel »

XII. An den Ufern Evendims


>>Chancen sind da, um sie zu ergreifen. Doch was passiert, wenn eine solche so unverhofft in das eigene Leben tritt, dass es einem unfähig macht zu handeln, ja, gar zu atmen?
Mut zur Stärke oder zur Schwäche? Stark im Sinne von, das Wagnis eingehen. Und Schwach im Sinne von, sich den entscheidenden Luftzug nicht rauben zu lassen, sondern einen Schritt zurückzugehen. Oder ist es schwach, sich durch das Ergreifen einer Chance in die Knie zwingen zu lassen? Und bedeutet dann etwa, der Versuchung standzuhalten, stark zu sein?
Unerwartete Begegnungen können verwirrend sein.
Und so ungeahnt bedeutungsvoll und schicksalsträchtig...<<


Das Wasser flutete das Ufer, welches in völliger Stille dazuliegen schien. Von weit her hörte man ein Dröhnen, das zeitweise von dumpfem Gebrüll untermalt wurde. Ihr Blick gleitete gen Süden, wo sich Umrisse einer Stadt im letzten Tageslicht zeigten. Eine Stadt, die aus einer Zeit stammte, wo die alten Könige noch herrschten und das nördliche Königreich in seiner ganzen Blüte war. Annuminas, das einstige Juwel von Arnor. Noch heute künden die ramponierten, in Mitleidenschaft gezogenen und verwitterten Gemäuer von dem Glanz und der Schönheit, welche diese Stadt einst verkörpert haben musste.
Noch konnte sich der Tag nicht entscheiden, ob er in die Nacht hinüber gleiten wollte. Am fernen Horizont dämmerte es. Zwielicht über dem Nenuial See, der in der Sprache der Elben ebenso See des Zwielichts geheissen wurde. Zwielichtig war auch das Land. Der Schatten griff nach Evendim. Angmarim fielen laufend in die einstige Königsstadt Annuminas ein. Um das zu fordern, was ihnen nicht gehörte. Um das zu schänden, das erbaut worden war, um die Ewigkeit zu überdauern. Und doch leisteten einige unerbittlich Widerstand. Dunedain, die letzten des edlen Geschlechtes. Ein Lichtstrahl am sich verdunkelnden Himmel.

Die Dunkelheit verscheuchte den letzten Lichtfetzen am Himmel. Sterne begannen das Himmelszelt zu sprenkeln. Stumme Hüter über ein Land, das um seinen Frieden bangte. Und über zwei Personen, die nach Linderung für ihre gemarteten Seele suchten. Celestiel blickte über ihre Schulter zu dem kleinen Lager auf der Insel. Sie war wieder alleine am Ufer. Schreckhafte Sehnsucht verriet ihr Blick, der zu dem Grasfleck zurückwanderte, wo soeben noch jene Person gestanden war, die sich fest in ihr Gedächtnis eingebrannt hatte und wie sie später erkennen sollte: In ihr Herz.
Sie drehte sich wieder um und schickte ihren Blick über die dunkle Wasseroberfläche aus, abwesend über das Tuch in ihren Händen streichend, auf das in filigranen, mit Gold durchwirkten Linien die Initialen C.N. eingestickt waren. Das Tuch ihres Bruders. Befleckt mit Blut. Doch es war weder ihres, noch seines.

"Viele Wunden vergehen, Celestiel. Einige jedoch nicht."

Sie hatte ihm gegenüber Gegenteiliges behauptet und nun, höchstens eine Stunde später, musste sie ihr Urteil revidieren. Nein, es gab wahrhaftig Wunden, die sich so tief in die Haut geschnitten hatten, dass sie nimmer mehr richtig verheilen würden. Schliessen konnten sie sich und auch der Schmerz konnte vergehen, doch existieren würde sie bis in alle Ewigkeit. Die Kunst war es zu lernen, mit einer solchen Wunde zu leben.
Was hatte er für eine Wunde davongetragen, die nun seine Seele überschattete? Wie sie war auch er vor irgendetwas geflüchtet, in der Hoffnung, in Evendim Seelenfrieden zu finden, mochte dieser auch noch so kurzweilig sein.
Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, als sie an die Begegnung vor wenigen Wochen zurückdachte. Stolz und erhaben war er ihr an den Ufern von Tinnundir begegnet. Die Sonne hatte ein Lichtspiel auf seine stattliche Rüstung gezaubert, welche der Handfertigkeit der Dunedain entsprungen war. Ein Krieger, dessen Gesicht von der Zeit gezeichnet war, seine Jugend und Schönheit jedoch fast bewahrt hatte. Wach hatte das intensive Grün in seinen Augen gefunkelt und eine Weisheit offenbart, die kaum mit dem Alter zu erklären war, welches er ausstrahlte.
Falandir, Faladors Sohn. Anführer einer Gemeinschaft, die sich die Agar Teryn nannte und zugleich Heeresführer, in dessen Körper das Blut der Dunedain floss.

Ein oder zwei Wochen waren seit dieser Begegnung vergangen. Sie konnte es nicht genau sagen, zuviel hatte sich in diesen Tagen ereignet. Dinge, zu denen sie sich nie im Stande gesehen und gefühlt hatte. Mit völliger Hingabe hatte sich Falandir dem Kampf gegen die Angmarim verschrieben, um seinen Brüder, die Waldläufer, zur Seite zu stehen. Und sie hatte ihn dabei ohne zu Zögern unterstützt, so als hätte Falandir die unerklärliche Gabe gehabt, in ihr einen Mut zu schüren, den sie nicht einmal existent geglaubt hatte. Taten hatte sie folgen lassen, über die sie im Nachhinein nur den Kopf schütteln konnte. Wie konnte sie, die edle Dame aus Gondor, welche in keinster Weise in der Kampf- und Kriegskunst unterrichtet worden war, zum Schwert greifen und zusammen mit einem Fremden den Angmarim die Stirn bieten?
Abermals lächelte sie, als ihr Blick auf das Tuch in ihren Händen zurücksank. Mit ihren Fingerkuppen befühlte sie den feinen Stoff und fuhr fort, ihr stummes Lächeln zu lächeln. Ja, ihr Bruder wäre wohl stolz auf sie gewesen.
Ihr Finger wanderte zu dem trockenen Blutfleck weiter, der enstanden war, als sie die Wunde von Falandir gesäubert hatte. In seiner bedachten, wohlüberlegten Wortwahl zumeist distanziert wirkend, war er für sie einen Moment greifbarer geworden, als er es zugelassen hatte, dass sie seine Wunde versorgte. Ein stetiger Schatten umfing diesen Mann und entrückte ihn von allem Greifbaren und Begreifbaren. Etwas ward vor langer Zeit zerbrochen in seinem Innern und peinigte ihn mit erdrückender Macht. Eine Wunde, die nicht heilen wollte und ihn seinen Weg nicht verfolgen liess. Denn da waren Selbstzweifel, die sie für Bruchteile von Sekunden gespürt und gesehen hatte.
Doch ehe sie hätte erfahren können, was das Schicksal ihm angetan hatte, hatten sich ihre Wege getrennt, auch wenn sie den gleichen Rückweg hatten: Von Evendim zurück nach Bree. Standort ihrer Gemeinschaften, die ihrer führenden Hand bedurften.

Auch sie musste zurück. Zurück zu einer Gemeinschaft, die auf ihre Bestimmung wartete. So faltete sie behutsam das Tuch zusammen und strich ein letztes Mal zärtlich über die Initialen ihres Bruders und abschliessend über den Blutfleck, den sie bis heute nicht ausgewaschen hat.
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