Spiel mit dem Feuer
Langeweile. Das war es, was Berendt gerade verspürte. Er langweilte sich. Er stand im Pony, einen Krug Bier in der Hand, angelehnt an die Wand und betrachtete das rege Treiben der Menschen, Hobbits, Zwerge und jener verwirrten Spitzohren, die die Dreistigkeit besaßen, sich als Elben zu bezeichnen.
Er nahm einen tiefen Schluck aus seinem Krug.
Dann erblickte er jemanden, der schon eher seine Aufmerksamkeit zu gewinnen vermochte. Eine junge Frau. Jünger als er. Aber nicht zu jung. Sie hatte blonde, schulterlange Haare und freundliche, grüne Augen. Breeländerin. Ihr Name. Sie hatte ihm ihren Namen das letzte mal gesagt. Irgendwas mit J. Jutta, oder Julia? Er wusste es nicht mehr. Doch das brauchte er auch nicht wissen, Namen waren unnötig, zumindest, wenn es ihm nur um etwas Kurzweil geht.
Also ging er auf sie zu. Es war schon etwas später. Eigentlich wunderte es ihn, dass sie noch alleine unterwegs war. Er erinnerte sich, dass sie bei ihrem Vater wohnte. Er war Holzfäller, oder Bauer, oder übte sonst irgendeinen dieser „anständigen“ Berufe aus, von denen manch einer dieser Besserwisser ihm dauernd erzählten.
Er setzte sich ungefragt zu dem Mädchen. Sie schien sich ebenso zu langweilen, wie er, aber immerhin erkannte sie ihn. Er winkte dem Wirt zu und bestellte. Er wusste, dass sie eigentlich selten Alkohol trank, aber heute könnte sie eine Ausnahme machen, erzählte sie. Ihr Vater war wohl geschäftlich unterwegs, daher konnte sie einige süße Tage machen, was sie wollte.
Das passte Berendt. Sehr sogar. Er gab ihr etwas zu trinken aus, sie redeten weiter. Er war plötzlich bestens gelaunt, riss Witze und umgarnte sie unterschwellig. Das ganze zog sich einige Zeit hin, bis sie ihn zu sich nach Hause einlud. In dieser Nacht noch. Das überraschte ihn, doch hatte er genau auf so etwas abgezielt und konnte sich ein Grinsen nur schwer verkneifen. Also machten sie sich auf den Weg. Sie wohnte in einer Hütte am Rande Brees. Kaum hatten sie diese betreten, Berendt hatte nicht mal die Möglichkeit, sich umzusehen, spürte er schon ihre Lippen auf seinen. Spätestens nun wurde ihm klar, dass diese junge Frau nicht halb so unschuldig war, wie sie wirkte: vielmehr schien sie ziemlich durchtrieben. Und an der Art, wie sie ihn in ihr Bett zog, merkte er, dass sie auch weit erfahrener war, als es den Anschein hatte.
Eine Stunde später lagen sie nebeneinander in ihrem Bett. Der Alkohol und die Anstrengung hatten sie ziemlich erschöpft. Berendt fragte sich grade, ob er einschlafen oder noch etwas warten sollte, als er ein ziemlich lautes Poltern hörte. Ein Poltern der unangenehmen Art. Als würde ein wütender und aufgebrachter Vater zu früh im Morgengrauen nach Hause kommen und schon von Draußen das Stöhnen seiner – wie er glaubte – unschuldigen Tochter zu vernehmen.
Es war wohl Berendts Glück, dass er solche Momente kannte. Dass er genau wusste, wann es angebracht war, aufzuspringen, seine Kleidung zu packen und aus dem Fenster zu hechten, noch ehe die Frau neben ihm mehr machen konnte, als reichlich verwirrt dreinzuschauen.
In diesem Fall war es angebracht gewesen. Er hatte sich kaum aus dem Fenster geschwungen, als die Tür aufgestoßen wurde und ein großer Mann mit Halbglatze in das Zimmer gestürmt kam. Ein brüllender, zorniger Mann mit einer Axt. War er also doch Holzfäller. Da sollte mal jemand sagen, Berendt merke sich keine Kleinigkeiten. Doch das war ihm in diesem Moment reichlich gleichgültig. Er war mehr damit beschäftigt, unsanft auf dem Gras aufzuprallen und sich aufzuraffen, nackt und nur mit seinen Kleidern an den Leib gepresst.
Hinter ihm hörte er das Toben des Vaters. Er beschloss, dass es wohl klüger wäre, zu rennen. Das tat er auch. Schnell genug, um dem Mann zu entkommen, wenn auch nicht schnell genug, als das er sein Rufen nicht noch hörte.
„Wenn du elender Bastard noch einmal meine Tochter beschmutzt, schneide ich dir dein Gemächt ab und verfüttere es an die Hunde, du Schänder!“
Zu mehr kam er nicht. Da war Berendt schon in einer Seitenstraße verschwunden. Er rannte jedoch immer noch weiter, bis er wirklich einige Straßen hinter sich und das Haus gebracht hatte. Es war noch immer recht dunkel, die Sonne würde wohl erst in einer Stunde aufgehen.
Er nickte der Wache freundlich zu und lächelte schief, als diese an ihn unter dem Schein der Laterne einen Moment lang sichtlich irritiert musterte.
Danach verzog er sich in eine dunklere Ecke und zog sich rasch an. Er hatte seine Strümpfe vergessen, doch er war sich sicher, dass sich nicht so schnell die Gelegenheit bieten würde, zurück zu gehen und lieb nach ihnen zu fragen. Waren ja nur Strümpfe.
Als er sich wieder angezogen hatte, machte er sich auf den Weg nach Hause. Sein Haus. Er ging schnellen Schrittes. Der Weg zur Siedlung war nicht weit.
Keine zwanzig Minuten später war er dann angekommen. Er blickte den Weg hinab zum Haus. Es war nicht mehr als eine bessere Strohhütte mit altem Holz und kaum Stein gebaut. Aber es war seine Hütte. Er klopfte kurz an den Türbalken, als er sie öffnete und eintrat.
Zuerst einmal entzündete er einige Kerzen, denn es war noch dunkel. Schon bald war die Hütte in ihr flackerndes Licht getaucht.
Dann ging er auf einen der Schränke zu und nahm eine Flasche mit dunkler Flüssigkeit heraus, sowie einen Krug. Er musterte beides einen Moment, ehe er die Flasche öffnete und sich die Flüssigkeit direkt in den Mund, statt ins Glas goss. Er verzog das Gesicht. Der Schnaps brannte, doch beruhigte er ihn auch nach dieser aufregenden Nacht. Er setzte sich an den alten verlotterten Tisch in der Ecke, stützte sich auf dem Ellenbogen ab und nahm noch einen Schluck.
Er versank, benebelt von Müdigkeit und Alkohol, bald in seinen Gedanken. Er dachte an die junge Frau, die mit ihm heute das Bett geteilt hatte. Dabei fiel ihm ein, dass er ihren Namen immer noch nicht wusste.
Irgendwann sank sein Oberkörper zur Seite. Er schnarchte. Die ersten Sonnenstrahlen fielen durch das dürfte das des Hauses. Doch dies bemerkte er schon nicht mehr. Eben so wenig, wie die Kerze, die er beim ein nicken mit dem Arm umgestoßen hatte.
Berendt erwachte. Doch er war nicht ausgeschlafen. Sein Schädel dröhnte ungemein. Und es roch ganz schön nach Rauch. Und es war heiß. Das war ungewohnt. Er beschloss die Augen zu öffnen. Vor ihm brannte es. Um genau zu sein, hatten Teile des Tisches und der Wand Feuer gefangen.
Berendt sprang auf. Das konnte man durchaus als panisch bezeichnen. Er musste das Feuer löschen.
Er hatte gehört, dass man einen nicht so großen Brand wie diesen mit eine Decke löschen konnte. Er rannte in das Schlafzimmer und kam mit einer alten und löchrigen Wolldecke zurück. Er sah sie an. Wie sollte er damit ein Feuer löschen? Er breitete sie aus und begann in Richtung des Feuers zu wedeln. So konnte er sie ausblasen? Nein. Das funktionierte nicht. Dann fiel es ihm wieder ein. Zudecken. Das Feuer zudecken. Sicher, so hatte er doch schon einmal etwas gelöscht. Mit einem triumphierenden Grinsen war er die Decke auf die Flammen. Das Grinsen verbreitete sich, als die Flammen einen Moment unterdrückt wurden. Doch die Decke war zu löchrig und dünn, an zu vielen Stellen wurde das Feuer mit Luft genährt. Sie fing Feuer. Berendt gefiel das ganz und gar nicht. Panisch überlegte er, wie er die Flammen noch löschen könnte.
Wasser. Wasser war gut. Blöd nur, dass er das höchstens zum waschen benutze und selbst das tat er nicht öfter als nötig. Er griff zu der Schnapsflasche. Sie war leer. Da fiel ihm ein, dass er noch etwas von diesem Essigöl der Hobbits hatte. Er benutzt das Manchmal zum kochen. Kopflos griff er in sich die Flasche, die auf einem Regal an der anderen Wand stand. Eine große Flasche. Viel Öl. Öl war flüssig, als würde es sicher auch gut löschen. Er öffnete die Flasche und schüttete den Inhalt mit einem Ruck in die Flammen.
Dann bemerkte er, dass dies kein kluger Einfall war.
In einer gewaltigen Stichflamme schoss das Feuer hoch. Es ergriff die Decke. Die halbe Vorderseite brannte nun und auch an Berendts Kleidung züngelten einige Flammen, die er rasch ausschlug. Berendt erkannte, dass es ihm unmöglich war, das nun noch in den Griff zu bekommen. Er rannte ins Schlafzimmer, packte kopflos einige Dinge in einen Sack. Dann wollte er zurück. Dumm nur, dass der Ausgang durch Flammen blockiert war. Also öffnete er das Fenster. Zum zweiten Mal würde er an diesem Tag ein Haus auf diesem Ungewohnten weg verlassen.
Er sprang aus dem Fenster, stolperte einige Schritte und landete im See der Siedlung. Als er sich umdrehte, stand das ganze Haus in Flammen. Sein Haus.
Fassungslos betrachtete er den Brand einige Sekunden, ehe er sich umdrehte und zum anderen Ufer schwamm
Als er sich an dieses geschleppt hatte, setzte er sich atemlos hin und sagte nur zwei Worte:
„Schöne Scheiße.“